Monday, February 26, 2018

Richard Koch Quartett - Wald (2018)


The Sound Of Humus!
Im Wald mit dem Richard Koch Quartett

Die Trompete sucht immer das Holz, sagt Richard Koch. Einen natürlichen Resonanzraum. Na, und wo findet der Mensch das Holz?! Im Wald. Albumtitel gefunden.

Aber Richard Koch hat die Stücke auf seinem Debütalbum tatsächlich auch im Wald komponiert. Und zwar nicht in einem naheliegenden Forst in Brandenburg oder Mecklenburg, sondern auf der niederländischen Insel Vlieland. Auf so einer Insel ist ein Wald ja selbst eine Art Insel. Ein Zufluchtsort. Ein Schutzraum. Ein System im System. Das Spiel der Elemente: Für Fische sind Seen Inseln, wusste schon Alexander Kluge zu berichten.

Auch Richard Koch ist ein Psychedeliker der feinsten Sorte. Immer findet sich bei ihm das Große im Kleinen, und im winzig Kleinen wiederum das ganze Große. Melancholie und Witz übergeben seine Quartettmitglieder einander wie einen kostbaren Staffelstab, dabei hat der Herr Koch immer einen klaren Ton auf den Lippen und ein offenbar großes Vergnügen daran, im Klangwald mit allen Elementen zu verschmelzen und zu verwachsen.

The Sound Of Humus!

Den 1979 im österreichischen Tulln an der Donau geborenen Trompeter und seit fast zwanzig Jahren in Berlin ansässigen, interdisziplinären Künstler beschäftigen vor allem die fließenden Übergänge: Von der Wurzelschicht (der Bassbereich?) bis zur Baumschicht (die Obertöne?) und als fallendes, welkes Blatt schließlich wieder nach unten in Richtung Wurzelschicht. Ein Zen-Trompeter!

Richard Koch erinnert uns mit seinem leichtfüßigen, Hans-guck-in-die-Luft-Spiel an den großen Tijuana-Trompeter und Entrepreneur Herb Alpert. Oder an den gedämpften Donald Byrd. Aber immer wieder wird es in seinem Quartett kindlich verspielt, rappelnd und aufbrausend wie im Willem Breuker Kollektief. Wir befinden uns schließlich auf einer niederländischen Insel. Aber bevor es zu clownesk wird, spielt Richard Koch uns lieber wieder weiterkomponierte, besinnliche Fugen der Photosynthese vor, die ihm erst gestern die Waldvögel mit auf den Weg gegeben haben. Aber nicht nur die Vögel - der ganze Wald musiziert! Ein komplexes, organisches System. Ein Orchester!

Der Wurm lockert den Boden, bloß um wenige Minuten später im Schnabel eines Vogels zu landen. Der Vogel trällert zum Dessert eine Melodie. Und zwischen den Bäumen in einer kleinen Lichtung, da steht Richard Koch mit seiner Trompete, aufmerksam zuhörend, das Naturschauspiel genießend, bevor er begeistert mit einsteigt in das wilde Nahrungskettenensemble. Ist das Jazz?

Unbedingt.

Das Richard Koch Quartett ist eine der großen Entdeckungen des Berliner Jazzjahrs 2018 und hoffentlich noch weit darüber hinaus. Mit dem Schlagzeuger Andi Haberl, dem Pianisten Michael Hornek und dem Bassisten Andreas Lang verfügt das Quartett über alle musikalischen Fähigkeiten, die Musik des Waldes - auf einer Insel wohlgemerkt – ewig formvollendend in unsere Städte zu tragen.

Auf so einer Bühne steht man schließlich auch in einem Stück Wald. Richard Koch steht ansonsten gerne mit dem Andromeda Mega Express Orchestra auf der Bühne. Und die sehr gerne mit The Notwist. Aber auch mit Peter Fox oder den Beatsteaks hat er immer wieder zusammengearbeitet. Und falls Sie auf dem neuen Nils Frahm Album eine Trompete hören, dann wird es sicher auch die von Richard Koch sein. Ein umtriebiger Trompeter.

Aber zurück auf unsere Insel - also den Wald! Wir können es nicht mehr auseinanderhalten. Ein Zufluchtsort jedenfalls, in der Hektik unserer metrischen Zeitordnung. Auf dem Tonträger bringt uns das Richard Koch Quartett gleich den ganzen Wald in die Wohnung. Die Trompete sucht eben immer das Holz. Und das wird sie sicher auch in ihren vier Wänden finden.

Maurice Summen


1. Moped
2. Mond
3. Jan+Erna
4. Wald
5. Regen
6. Wolpertinger feat. Ron Spielman
7. Der Herbst

Richard Koch - trumpet
Michael Hornek - piano
Andreas Lang - bass
Andi Haberl - drums

Special Appearance by Ron Spielman (Guitar on Track 6)