Zu dem Umgang mit dem Material bemerken Stefan und Peter: "Unsere Herangehensweisen auf dem Album sind sehr verschieden. Das was vorauskomponiert ist, ist oft sehr prägnant und bestimmend für die Ästhetik der einzelnen Tracks, trotzdem ist das Ziel, darüber zu stehen und so frei wie möglich damit umzugehen und Gedanken weiterzuspinnen. Es fühlt sich in der Besetzung eher so an, als ob man ständig, während man spielt, die Kompositionen erweitert, weiter komponiert und neue Gedanken hinzufügt. Es soll kein Bedienen einer vorgefertigten Idee sein."
Die Reihenfolge der Stücke wurde erst nach den Aufnahmen festgelegt. Dabei besticht das Programm mit strenger Stringenz. Tong-Gu entpuppt sich nach einer Reihe von eher offenen, freieren Stücken zu Beginn des Albums als Gravitationszentrum, bei dem die Betonung des Sprechgestus des Musizierakts eine immer größere Rolle spielt. Faszinierend ist dabei, dass alle drei Musiker mit Ehrfurcht gegenüber dem Klang des eigenen Instrumentes spielen und die so implizierte Respektgrenze selbst in Phasen des intensivsten bohrenden Suchens nicht überschreiten. Die Entstehungsgeschichte von Tong-Gu verweist unmittelbar auf das Sprachgestische. Stefan hat es geschrieben, als er auf einer einmonatigen Residenz des Goethe-Instituts in Shanghai war. Im Chinesischen hat ein Wort - anders ausgesprochen - oft eine andere Bedeutung. Ohne korrekte Betonung der Wörter kann man nicht verstanden werden. Die Komposition spielt mit dem Gedanken der Umdeutung, jedoch nicht im Bereich der Tonhöhe, sondern in dem der Rhythmik; so wird im Thema der Komposition jeder Takt immer wieder rhythmisch umgedeutet, und es entstehen neue Bedeutungen. Das Wort Tong-Gu, mit Bindestrich geschrieben, ist ein Fantasiewort. Tong bedeutet sich ähneln und sich gleichen, ist aber auch ein Synonym für ein Zusammenkunftsplatz und eine Geheimverbindung, die in den USA und in Kanada entstand. Gu ist der Gott des Eisens und des Krieges.
Neben den Stücken mit klar umschriebener Konzeption gibt es spontan im Studio als Improvisationen entstandene Tracks. Das Titelstück Behind Her Eyes gehört dazu und unterstreicht in schöner Vielschichtigkeit den offenen Ansatz dieses Trios mit seinem großen Interpretationsfreiraum und dem Verzicht auf eng Festgezurrtes.
Letztlich muss die Musik für sich selber sprechen, wie Miles Davis immer betonte. In diesem Sinne ist Behind Her Eyes ein äußerst beredtes Album. Thomas Fitterling
1 Edgewise (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 3:41
2 Capucine (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 7:21
3 Lucky Number (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 5:57
4 Flood (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 4:40
5 Behind Her Eyes (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 2:42
6 Tong-Gu (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 8:26
7 Core (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 3:01
8 Silent Song (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 7:32
9 Whereabouts (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 3:06
10 Blatny (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 5:41
11 While You Sleep (feat. Stefan Schultze & Tom Rainey) 3:44
Peter Ehwald: tenor saxophone
Stefan Schultze: piano
Tom Rainey: drums