Rick Hollander begann mit neun Jahren mit dem Schlagzeug, studierte Musiktheorie und Komposition am „Oakland Community College“ in den USA und hatte Privatunterricht bei Gene Stewart und Roy Brooks. 1979 zog er nach New York City, wo er mit Woody Shaw, Robin Eubanks, Arnett Cobb, Rufus Reid, Tim Hagans, Steve Grossman und Roy Hargrove arbeitete. Seit Mitte der 1980er Jahre arbeitet er mit eigenen Gruppen, mit denen er auch auf dem Monterey Jazz Festival und dem North Sea Jazz Festival konzertierte und mehrere Alben vorlegte. Weiterhin arbeitete er als Schlagzeuger in den Gruppen von Hermann Breuer, Peter Tuscher, Ed Kröger, Johannes Herrlich, Steven Houben und Walter Lang.
Die englische Redewendung „On The Up and Up“ hat zwei Bedeutungen. Zum Einen bezeichnet sie Personen, die sich auf dem aufsteigenden Ast befinden. Zum Anderen beschreibt sie Menschen, die grundehrlich sind. Auf den Schlagzeuger Rick Hollander und die Mitglieder seines neuen Quartetts treffen beide Definitionen zu. Was sie anpacken, das machen sie richtig – authentisch, gefühlsbetont und ohne Kompromisse.
1956 in Detroit geboren und musikalisch in New York City ausgebildet, kam Hollander 1991 nach München, wo er bis heute wohnt. In der bayerischen Landeshauptstadt ist der schlaksige Schlagwerker längst zu einem festen Bestandteil der Jazzgemeinde geworden. Seine Kollegen schätzen sein unverwechselbares, filigranes Spiel mit dem Besen ebenso wie seine enorme Flexibilität. Das musikalische Umfeld, in dem er aufwuchs, trug dazu wesentlich bei. „Mein Vater hörte leidenschaftlich gern Musik von Johnny Mathis und Errol Garner, ich liebte die Beatles und meine ältere Schwester brachte Platten des ortsansässigen Motown-Labels nach Hause - mit legendären Soul-Sängern wie Marvin Gaye und; Stevie Wonder“, blickt Hollander auf seine frühere musikalische Sozialisation zurück. Später entdeckte er Jazz-Ikonen wie Charlie Parker, John Coltrane, Ornette Coleman und Keith Jarrett. Etwas, was er rückblickend als „wichtigste Erfahrung in seiner Karriere“ bezeichnet, weil sie sein Spiel und seine Art zu komponieren stark prägen sollten. Doch auch ein Faible für Rockmusik hat sich Hollander bis heute bewahrt. Das erklärt, warum der Wahl-Münchener seine Sticks ebenso gern während eines Blues- oder Rock-Gigs schwingt wie auf einer Jazz-Session.
Paul Brändle, der Gitarre in Hollanders Quartett spielt, erinnert sich an den Abend Ende 2014, als er seinen künftigen Bandleader zum ersten Mal traf. „Es war ein Schlüsselerlebnis. Mir war sofort klar, dass ich mit ihm spielen wollte. Rick spielt nicht nur Schlagzeug, er spielt und lebt den Song, er orchestriert jeden musikalischen Moment auf seine ganz eigene Weise und überrascht mich immer wieder mit neuen Ideen. Seine Bandbreite ist enorm vielfältig und trotzdem bleibt er stets gnadenlos am Beat“.
Zwei Landsleute Hollanders komplettieren das Quartett. Bassist Will Woodward, der seinem gewaltigen Puls die Band zu immer neuen Höhen antreibt und Brian Levy. Der aus Boston stammende Tenorsaxofonist ist ein absolutes Energiebündel. Mit seinem expressiven, kraftvollen Spiel ist Levy – zumindest auf der Bühne – der Frontmann des Ensembles, während Hollander im Hintergrund die Fäden zieht. Dabei fällt schnell auf: verkopfte, vertrackte Kompositionen, wie man sie bei einem Drummer befürchten könnte, sind seine Sache nicht. Im Gegenteil. „Melody is king“, beschreibt Hollander seine Devise beim Komponieren. Sieben seiner Stücke sind auf On The Up and Up gelandet. „Die meisten haben einen sehr persönlichen Hintergrund“, verrät der Drummer und ergänzt: „Allein drei von ihnen stammen aus der Zeit, als eine Beziehung in die Brüche ging. Einerseits war ich natürlich traurig und betroffen, andererseits können Gefühle eine starke Inspirationsquelle sein und einen gehörigen Schub kreativer Energie freisetzen“, zieht Hollander ein zwiespältiges Fazit dieser Zeit.
Auch musikalisch kommt diese innere Zerrissenheit gut zum Vorschein, wenn sich in Titeln wie „How You Knocked Me Off My Feet (Again)“ vergleichsweise leichte Latin-Rhythmen mit schweren, bluesdominierten Takten abwechseln. „What A Time It Was!“ mit seiner eingängigen, verträumten Melodie bildet einen gelungenen Gegensatz zum ungewöhnlichen „Oh Boy“, das aus verschiedenen Teilen besteht, die in der Klanganmutung sehr unterschiedlich sind. „Das Stück enthält eine sehr einfache Melodie auf dem Saxofon, die ich meinem Sohn vorgesungen habe als er ein kleiner Junge war“, erklärt Hollander, der danach mit diversen Takt- und Rhythmuswechseln sämtliche Register seines beeindruckenden Könnens zieht.
Neben dem stimmungsvollen Dancing Fly Reflections aus der Feder von Brian Levy runden zwei Standards das Album ab, die Hollander im Vergleich zum Original stark verändert („Hollanderized“) hat. Darunter „Indian Summer“ (Komponist Victor Herbert, Text Al Dubin), dessen Textzeilen der Wahl-Münchener zum Auftakt des Albums rezitiert. „Eigentlich mag ich es lieber, wenn Beziehungen einfach und glücklich sind, aber offenbar habe ich manchmal auch einen leichten Hang zur Melancholie“, schmunzelt der Bandleader.
Vor den Studioaufnahmen zu „On The Up and Up“ hatte das Quartett bereits eine Tournee durch Europa absolviert. Gelegenheit, die Abstimmung im Zusammenspiel weiter zu verfeinern. „Die Band entwickelte in dieser Tour einen eigenen Groove und wuchs musikalisch und menschlich zusammen“, beschreibt Youngster Paul Brändle die gemeinsamen Wochen on the road. Dieser Spirit einer Touring Band, der auf dem Album deutlich hörbar ist, wird das Publikum mit Sicherheit wieder begeistern, wenn das Quartett seine Reise durch ausgewählte Jazzclubs fortsetzt.
01. Indian summer
02. A coat for all seasons
03. An appraisal in gold
04. Dancing fly reflections
05. I didn't know what time it was
06. Got a crazy kind of way
07. Oh boy
08. What a time it was!
09. How you knocked me off my feet (again)
10. Hörprobe Track 10: You lied to me
THE RICK HOLLANDER QUARTET
Dr. Brian Levy - Tenor Saxophone
Paul Brändle - Guitar
Will Woodard - Bass
Rick Hollander – Drums