Lyrik & freie Improvisation: Heinrich Heine bereitet die Bühne, setzt den Ton - der entlaufene Romantiker, bekannt für seine elegante Leichtigkeit und den zeit- und gesellschaftskritischen Scharfsinn in seinen Gedichten. Seinen Worten wohnt Musik inne. Deshalb gehört er zu den meist-vertonten deutschen Lyrikern. Nun kosten Christian Brückner und Michael Wollny die fruchtbare Beziehung von Text und Musik aus. Beides führende Künstler in ihrem Metier. Brückner, bekannt als Synchronstimme von Robert De Niro und aus unzähligen Hörbüchern und Filmen, gilt gegenwärtig als erfolgreichster Sprecher Deutschlands. Und Wollny, „der vielseitigste und innovativste deutsche Jazzpianist seiner Generation“ (Der Tagesspiegel), schafft es wie wenige andere, aus den verschiedensten Einflüssen heraus immer wieder neue, atemberaubende musikalische Erlebnisse zu kreieren.
Die Verbindung aus Lyrik und Jazz hat eine lange Geschichte: Anfang der 1960er Jahre wurde sie in Deutschland populär, nachdem zuvor Autoren der US-amerikanischen Beat-Generation, wie Jack Kerouac, diese Welle ausgelöst hatten. Jazzpapst Joachim-Ernst Berendt brachte diese Gattungsmelange in den Hörfunk des SWR und etablierte unter dem Titel „Lyrik & Jazz“ auch eine ganze Schalplattenserie für das Label Philips in Kooperation mit dem legendären Magazin „twen“. Eine Produktion stach dabei besonders heraus und ist bis heute als CD und digital erfolgreich: Heinrich Heine. Siggi Loch, der damals die Serie betreute, machte Berendt den Vorschlag, diese Ausgabe von „Lyrik & Jazz“ Iive im Studio mit Sprechern und Musikern aufzunehmen. Die Protagonisten der Aufnahme aus dem Jahr 1964 waren der „König der Vorleser“ Gert Westphal, sowie der Jazz-Gitarrist Attila Zoller und weitere hochkarätige Musiker wie Emil Mangelsdorff oder Peter Trunk. „Dieses Hörbuch ist eine Kostbarkeit“, befand seinerzeit „Die Welt“.
Nun, 57 Jahre nach der Erstaufnahme, ist Loch erneut und zusammen mit Christian Brückner und Michael Wollny ins Studio gegangen, um eine zeitgenössische Interpretation dieser Idee zu realisieren. Brückner und Wollny erweisen sich als perfektes Paar, um Heine neu erklingen zu lassen. Die beiden kennen sich schon lange und standen schon mehrfach gemeinsam auf der Bühne - vor allem für Vertonungen von Texten des Wort- und Collagen-Künstlers Ror Wolf, zusammen mit Saxofonist Heinz Sauer oder Wollnys aktuellem Trio. Aber auch mit Texten aus dem Jazz-Erzählband „But beautiful“ von Geoff Dyer.
Brueckner & Wollny Photo: Gregor Hohenberg
Die Aufnahmen für „Heinrich Heine: Traumbilder“ profitieren sehr von der aus vielen Auftritten entstandenen Vertrautheit und Chemie zwischen Brückner und Wollny. Im Studio entstanden 24 musikalische Kurzgeschichten, voller Witz, Ironie, Charme und Eindringlichkeit, genau wie auf der Bühne: Als echte Improvisationen. Wollny vertont Brückners Vortrag frei und aus dem Moment heraus, dieser reagiert wiederum so spontan wie virtuos in Ton, Stimmung und Charakter. Bei vier Stücken bilden, auf Impuls von Produzent Siggi Loch, verschiedene Fragmente aus bereits existierenden Stücken den musikalischen Rahmen für die folgende Improvisation: Wollnys „Polygon“ (auf „Ich habe gerochen alle Gerüche“) und „Der Wanderer“ (auf „Ich hab im Traum geweinet“), sowie die Volkslieder „Die Loreley“ (nach dem gleichnamigen Heine-Gedicht) „Es sungen drei Engel“ (auf „Im traurigen Monat November war’s“). Das Resultat der Zusammenarbeit ist eine Verbindung aus Musik und Wort, die einen immer wieder aufhorchen, schmunzeln, nachdenken und bei jedem Hören neue Nuancen entdecken lässt. Ein echtes, einmaliges Hörerlebnis eben.
1. Denk' ich an Deutschland in der Nacht 02:21
2. Traumbild 02:14
3. Ich hatte einst ein schönes Vaterland 02:21
4. Ich habe gerochen alle Gerüche 01:37
5. Ein Jüngling liebt ein Mädchen 01:22
6. Liebesantrag 01:38
7. Die Welt ist dumm 00:33
8. Religion (Dabei muss ich ihnen auch gestehen, Herr Doktor) 03:38
9. Die kleine Harfenistin 01:53
10. Nimmer glaub' ich 01:10
11. Die Loreley (Ich weiß nicht, was soll es bedeuten) 02:35
12. Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste 00:59
13. Die Franzosen glaubten... 00:57
14. Anno 1839 (O Deutschland, meine ferne Liebe) 03:03
15. Liebessehnen 01:33
16. Ein Weib (Sie hatten sich beide so herzlich lieb) 02:51
17. Wenn ich an Deinem Hause vorübergeh' 01:27
18. Im traurigen Monat November war's 04:08
19. Wie sehnt' ich mich so oft 01:39
20. Ich hab' im Traum geweinet 01:50
21. Mr. Heines Blues (Aber ach! Jeder Zoll) 01:51
22. So übel war's in Deutschland nie 02:32
23. Die alten, bösen Lieder 03:05
24. Sie erlischt (Der Vorhang fällt) 02:24
Michael Wollny / piano
Christian Brückner / voice
Text by Heinrich Heine
Recorded by Michael Wollny
Produced by Siggi Loch